Gewohnheiten langfristig etablieren – wie gelingt es?
Mit dem Jahresanfang geht die Zeit der guten Vorsätze einher. Mehr Sport, gesündere Ernährung, weniger Netflix. Nach einigen hochmotivierten Tagen verlaufen sich die vielen Vorhaben schnell im Sande. Warum ist es so schwer, langfristig neue Gewohnheiten in unseren Alltag zu integrieren?
Die Macht der Gewohnheit
Gewohnheiten sind ein zentrales Element unseres Lebens. Sie erleichtern uns eine Vielzahl alltäglicher Abläufe uns Prozesse, indem sie dafür sorgen, nicht immer wieder neu entscheiden zu müssen. Durch Gewohnheiten wird unser Gehirn entlastet, da es nicht jede Handlung bewusst steuern muss. Schätzungsweise sind rund 30 – 50 % unseres Verhaltens durch Gewohnheiten bestimmt. Trotz dieser Relevanz für unser Leben, ist der Begriff häufig negativ konnotiert. Schlechte Angewohnheiten, Trägheit, mangelnde Willenskraft sind nur einige Assoziationen.
Gewohnheiten sind beharrlich – Veränderungen brauchen Zeit
Veränderungen, wie der Aufbau neuer Gewohnheiten, brauchen Zeit. Wie lange es dauert, eine neue Gewohnheit zu etablieren, lässt sich nicht genau sagen. Häufig ist von 21 Tagen zu lesen, was jedoch als Mythos gilt. An anderen Stellen liest man von 30 – 40 Tagen, die es am Ball zu bleiben. Wie andere Quellen geben an, dass es Jahre dauern kann, Gewohnheiten wirklich zu verändern. Festhalten lässt sich wohl, dass die Veränderung Zeit braucht und sicher auch ein erhebliches Maß an Motivation und Selbstdisziplin.
Empfehlungen, um neue Gewohnheiten zu etablieren
Im Alltag fehlen oft die Kapazitäten, um langfristig neue Gewohnheiten zu etablieren. Zu eingespielt sind die (hilfreichen) Routinen, zeitliche Abläufe sind fest getaktet und selbst Freizeitaktivitäten werden mit Terminblockern im Kalender markiert. Dennoch spüren viele Menschen immer wieder den Wunsch, kleine oder große Veränderungen anzustoßen. Einige Empfehlungen, wie es langfristig gelingen kann, neue Routinen zu etablieren, habe ich im Folgenden gesammelt.
1. Den eigenen Antrieb definieren
Motivation ist unerlässlich, um Altes loszulassen und Neues aufzubauen. Um Motivation zu gewinnen und langfristig aufrecht zu erhalten, ist es wichtig, das eigene Warum zu kennen. Warum will ich Yoga machen oder täglich frisch kochen? Ist es wirklich mein eigener Antrieb, weil es mir gut tut? Oder will ich das nur tun, weil es gerade ein Trend ist, der mir immer wieder in den sozialen Medien begegnet? Nur eine eigene, intrinsische Motivation wird dabei unterstützen, langfristig eine neue Gewohnheit etablieren zu können. Dazu kann es auch hilfreich sein, die eigenen Einstellungen zu hinterfragen: Welche Glaubenssätze prägen mich und sorgen womöglich dafür, dass sich bestimmte Gewohnheiten so schwer aufbauen lassen?
2. Konkrete Ziele formulieren
Wenn die eigene Motivation gefunden ist, hilft es, möglichst klare und konkrete Ziele zu formulieren. Statt „mehr lesen“ könnte es also besser heißen: „Drei Mal in der Woche mindestens 30 Minuten zur Entspannung lesen“. Zur Zielformulierung kann man die SMART-Methoden nutzen. Das bedeutet, dass Ziele spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert formuliert werden. So wird ein neues Vorhaben gleich viel greifbarer und anschaulicher. Eine ganz konkrete Aktivität lässt sich leichter im Alltag integrieren, als ein lose formulierter Vorsatz. Während der Zielformulierung kann man sich auch ausmalen, wie man sich wohl fühlen mag, wenn die neue Gewohnheit fest etabliert ist: gelassener, ausgeruhter, zufriedener, fitter, gesünder… Sich das positive Gefühl zu vergegenwärtigen, kann den Antrieb ebenfalls stärken.
3. Kleine Schritte gehen
Es muss nicht gleich die ganz große Veränderung sein. Wenn mich der Wunsch antreibt, mich fitter zu fühlen, kann es für den Anfang schon ausreichen, mit dem Rad anstelle der Straßenbahn zur Arbeit zu fahren. Es muss nicht direkt die Mitgliedschaft im Fitnessstudio sein. Besonders wenn es im Alltag gar nicht die zeitlichen Kapazitäten gibt, führen zu groß angesetzte Vorhaben eher zu Frust. Wenn ich morgens weniger gestresst in den Tag starten will, könnte die Stellschraube schon sein, 20 Minuten früher aufzustehen. Das ist womöglich realistischer umzusetzen, als gleich eine ganz neue Morgenroutine aus Sportprogramm und gesundem Frühstück zu etablieren.
4. Nicht alles auf einmal verändern
Um genügend Stabilität zu bewahren und uns nicht zu überfordern, sollte nicht zu viel auf einmal verändert werden. Denn wir erinnern uns: Gewohnheiten sind Entlastung für unser Gehirn. Gerade wenn es um größere oder zeitlich aufwändige neue Routinen geht, sollten wir eins nach dem anderen angehen. Wer täglich Zeit aufbringen möchte, um eine neue Sprache zu lernen, schafft es vielleicht nicht gleichzeitig zu versuchen, auch täglich joggen zu gehen, wenn weder das eine noch das andere zuvor zum Tagesablauf gehörte.
5. Es nicht perfekt machen wollen
Sobald der Entschluss gefasst ist, soll es am besten sofort losgehen. Doch dann kommt direkt der Alltag dazwischen: Man selbst oder ein Kind wird krank, ein anstehender Termin erfordert noch dringende Vorbereitung, da ist diese eine Verabredung, die schon lange im Kalender stand. Um sich da nicht direkt wieder entmutigen zu lassen, sollte man sich bewusst machen, dass ein schlechter Tag nicht bedeutet, dass man mit dem Plan gescheitert ist. Stattdessen sollte man einfach den Anfang machen und es immer wieder aufs Neue versuchen, am Ball zu bleiben.
6. Nicht immer wieder in Frage stellen
Fürs Dranbleiben ist es auch zuträglich, den gefassten Plan nicht jedes Mal wieder in Frage zu stellen. Wenn die Entscheidung erstmal getroffen ist, den Fotokurs endlich zu machen oder jetzt wirklich mal mit dem Malen anzufangen, dann sollte man nicht vor jedem Termin ins Zögern kommen. Gerade wenn die neuen Gewohnheiten außerhalb der eigenen Komfortzone liegen, kann das erstmal unangenehm sein. Warum wollte ich nochmal im Chor singen? Auf der Couch war es doch auch ganz schön. Wenn man dann aber erstmal dabei ist, zeigt sich oft, wie richtig der Entschluss war. Denn wenn die Motivation gegeben ist, lohnt es sich, Unbekanntes zu entdecken.
7. Hürden minimieren
Um Gewohnheiten langfristig zu etablieren, kann es auch helfen, die Hürden so gering wie möglich zu halten. Am besten liegt alles, was man braucht, immer griffbereit – ob es die Yogamatte, die Laufschuhe oder das neue Kochbuch sind. So behalten wir unsere Vorhaben im wahrsten Sinne des Wortes im Blick. Es kann auch hilfreich sein, eine neue Gewohnheit an eine bestehende anzudocken. Wer gerne täglich seine Gedanken aufschreiben möchte, um strukturierter in den Tag zu starten, könnte das gleich morgens mit der Tasse Kaffee verbinden.
Neue Wege entstehen, wenn man sie geht. So ist es wohl auch mit Gewohnheiten. Neue Routinen zu etablieren braucht Zeit und Geduld mit sich selbst. Wenn man die eigene Motivation deutlich formuliert und in sich spürt, sich realistische Ziele setzt und in kleinen Schritten loslegt, ist der Anfang schon mal geschafft. Und der Anfang ist ja bekanntlich der schwerste Schritt.